Konrad Wiese (damals Stadtbaurat in Braunschweig) äußert sich in seiner "Denkschrift zum Wiederaufbau der Alten Waage und zur Erneuerung der historischen Braunschweiger Neustadt" folgendermaßen:

"Zum Sinngehalt der Rekonstruktion in der heutigen Baukultur

Der Begriff des Denkmals, so wie er in der Bundesrepublik interpretiert und gehandhabt wird, ist für die baukulturellen Aufgaben nach dem immensen Umfang der Zerstörung der historischen Bausubstanz im Zweiten Weltkrieg nicht umfassend genug. Auf den Prinzipien der Denkmalpflege zu verharren, die auf dem '1. Tag der Denkmalpflege' in Dresden im Jahre 1900 von Cornelius Gurlitt formuliert worden sind, als wir noch in einer heilen Welt im Überfluß von Baudenkmälern lebten, hieße die Veränderung unserer baulichen Umwelt ignorieren.
[...]
Architekturrekonstruktionen lassen sich in der Baugeschichte der Neuzeit, des Mittelalters und sogar des Altertums nachweisen. Wiederaufbau, Nachbau, Rekonstruktion, Kopie, Reproduktion und Restaurierung sind begrifflich nicht eindeutig festgelegt. Er erscheint auch nicht angebracht, feste Definitionen einzuführen und daran die angesprochenen Bauwerke zu messen, weil die Absichten und Formen historischen Denkens in ihrem Wandel und in ihrer inhaltlichen Bedeutung nicht einheitlich gewürdigt werden können. Viel aufschlußreicher ist es, die Ursachen der Rekonstruktionsbestrebungen aufzuzeigen. Sie münden in die Frage ein, warum Menschen sich mit Geschichte auseinandersetzen, eine Frage, die Friedrich Nietzsche existentiell beantwortete: 'Damit der Menschen sagen kann: Ich erinnere mich.' Träger solcher Erinnerung sind Relikte aus der Vergangenheit, und - wenn diese nicht mehr vorhanden sind deren Rekonstruktionen und Bilder 'auf der Suche nach vergangenen Zeiten'." (S. 6)

Die komplette Streitschrift kann man für 1,50 Euro beim Stadtarchiv Braunschweig bestellen.