Léon Krier ist ein bekannter luxemburgischer Architekt, der in Südengland von Prinz Charles mit dem Bau eines traditionell orientierten Stadtquartiers betraut wurde. Sein Buch "Architektur - Freiheit oder Fatalismus" (München 1998) ist eine Abrechnung mit der Architektur der Moderne.

Krier legt Wert darauf, zwischen "Modernität" und "Modernismus" zu unterscheiden: Modernität sei nicht das Gegenteil von Tradition, d. h. auch traditionelle Gebäude können durch ihre Nutzung modern sein; Modernismus hingegen sei eine Ideologie, die das Flachdach bejubelt und den Rundbogen ablehnt.

Die folgendenden Zitate sind Kriers Buch "Architektur - Freiheit oder Fatalismus" entnommen:

So äußert sich Krier zum Widerstand von Bürgerbewegungen gegen schlechte Architektur: "Bürgerinitiativen gegen Architekten und Stadtbauprojekte grassieren in allen demokratischen Ländern. Dort gibt es kurioserweise keine Bürgergruppen, die Einfluß auf die Entwürfe von Flugzeugen, Kühlschränken oder Zahnarztstühlen nehmen wollten. Die Autorität der Berufsstände, die ihre Versprechen einlösen, ist selten umstritten." (S. 27)

Das folgende Zitat kann in einen Zusammenhang gebracht werden mit jenen Argumenten von Modernisten, die eine vermeintliche "Rückwärtsgewandtheit" von Anhängern traditioneller Baulösungen behaupten (im Sinne von "Wollen Sie auch die damaligen hygienischen Verhältnisse wiederhaben?" oder "Dann laufen Sie doch gleich in historischen Kostümen durch die Gegend!"): "Es gibt keinen Widerspruch zwischen den Wünschen, in einer traditionellen Stadt zu leben und ein schnelles Auto zu fahren. Ein gewisser modischer Avantgardismus jedoch wirft der Öffentlichkeit vor, dabei Aspekte des Modernismus abzulehnen und sich in "Vergangenheitstümelei zu flüchten". Doch eben diese Öffentlichkeit "flüchtet" sich auch in den "beruhigenden Komfort" des modernen Lebens. Sie bewundert den Fortschritt der Wissenschaften und heißt die technischen Errungenschaften willkommen. In ihren Wünschen wie ihrer Auswahl zeigt sie praktische Intelligenz, bevorzugt in der Regel Häuser mit geneigten Dächern, fordert aber keine Autos mit Strohdächern" (S. 66)

Krier zum Thema Zeitgeist: "Uns allen wurde der Gedanke eingeimpft, daß unsere Arbeiten den Geist unserer Zeit ausdrücken müßten, doch die besten Werke der Vergangenheit beweisen genau das Gegenteil: Sie transzendieren die Besonderheit ihrer Epoche und werden so zu Mythen, durch alle Epochen hinweg. Allein dadurch sind sie ewig jung." (S. 75)

Krier zum Thema Rekonstruktionen: "Der Wert historischer Denkmäler besteht weniger im Alter ihres Baumaterials als vielmehr im Fortbestand der Ideen, die sie verkörpern. Eine identische Rekonstruktion mit übereinstimmenden Materialien, Formen und Techniken, deren man sich ursprünglich bediente, hat einen höheren Wert als ein ruinenhaftes Original. Wie Joachim Fest sagt, hängt die Originalität eines Gebäudes nicht von seinem Material ab, sondern liegt in der Originalität seines Entwurfs. Es ist also in vollem Umfang reparabel und rekonstruierbar, ohne seinen einzigartigen Charakter zu verlieren. Anders als das Gemälde eines unersetzlichen Meisters ist ein Gebäude in der Regel kein rein individuelles Werk. Der Kult um und die Fetischisierung von Ruinen erweist uns und den ursprünglichen Erbauern einen schlechten Dienst. Was uns an einem alten Denkmal berührt, ist nicht sein Altertumswert, sein Wert qua Alter, sondern seine konstante Modernität, das heißt, seine Fähigkeit, zu uns zu sprechen trotz seines Alters, und die Kraft, seine materielle Altertümlichkeit zu transzendieren." (S. 75)

Krier zum Thema der Bürgerakzeptanz von Gebäuden: "Die Architektur einer Stadt und ihrer öffentlichen Räume ist im selben Maß wie Gesetze und Sprache eine Angelegenheit des Gemeininteresses - sie sind das Fundament von Urbanität und Zivilisation. Ohne deren allgemeine Akzeptanz gibt es weder eine gesellschaftliche Verfassung noch die Aufrechterhaltung eines normalen, zivilisierten Lebens. Sie können nicht aufgezwungen werden, und ihre allgemeine Zurückweisung ist nicht Beweis für Verständnislosigkeit seitens der Bürger, sondern für ein dürftiges Konzept." (S. 201)